Schon längst wieder daheim

Ach, nun fühlt es sich auch nicht mehr, als wäre es gerade erst gestern gewesen.

Die Alpzeit ist schon lange vorbei.

Ich bin schon längst wieder eingetaucht in die andere Welt.

Die Geissen tummeln sich wieder in den Ställen im Tal und auf meinem Laptop als Bildschirmschoner. Der Berg ruht schon längst im Schnee. Dieses Jahr hat es nicht einmal gereicht, alle Zäune abzubauen, so überraschend früh wurde es weiß.

Der Geruch von Alp ist aus dem Auto und aus den Klamotten verzogen, außer, man steckt die Nase gaaanz tief hinein. 

Auf dem Käsebrett im Keller ruht nur noch ein letzter, langsam verschrumpelnder kleiner Käse.

 

Und wie es so ist, aus den Augen aus dem Sinn, ist es mir unter gegangen, noch einen letzten Blog Artikel zu schreiben, mich von meinen treuen Leser*innen zu verabschieden, einen letzten Sehnsüchtigen Blick hoch auf den Berg mit euch zu teilen.

 

Der letzte Blick zurück war auch gar nicht so sehnsuchtsvoll.  Den gibt es oft gar nicht wirklich. Der Blick war sehr nach vorne gerichtet.

Ich habe mich gefreut aufs Tal.

Ich habe mich gefreut auf Menschen, auf Begegnungen, ich habe mich gefreut, mit all meinen Abenteuern und Erfahrungen im Gepäck ins Tal zu kommen und wie die Maus Frederick meine gesammelten Erlebnisse, mein Licht, meine Farben mit allen, die es wollen, zu teilen. Und auch, zu erleben, wie es ist, nach einer so langen Zeit des Alleinseins wieder in die Gesellschaft zurück zu kehren.

 

Aber irgendwie kam alles anders. Aus einer etwas unglücklichen Begebenheit heraus, musste ich schnell eine neue Bleibe suchen, also nicht einfach von der Hütte zurück ins gewohnte Nest, Sachen auspacken, einwintern, ankommen.

Und als sich dann alles ergeben hatte, kam Corona zurück und schränkte das soziale Leben in großen Stücken wieder ein.

Alleinsein -  für mich, kein großes Problem. Das hatte ich ja den ganzen Sommer erprobt, und mit Bravour gemeistert!

Als mir aber eins nach dem anderen sämtliche Seminare, Vorträge und sonstige Aufträge abgesagt wurden, fühlte sich dieses nicht ganz so selbst gewählte Alleinsein schon lang nicht mehr so großartig an, wie oben auf dem Berg.

Und wohin, fragte ich mich, mit all meiner Schaffenskraft?

 

Der Übergang von der Alp ins Tal ist immer etwas krass. In diesem Jahr war er das allerdings in einem ganz besonderen Maße.

Ich hatte das Gefühl, ich kehre in eine Welt zurück, in der ich mich nicht auskenne.

Auf dem Berg oben, da lebe ich Routine. Und diese in einer außerordentlich unberechenbaren Natur.

Da fühlt es sich an, wie ein surfen. Surfen mit Wind und Wetter, mit den Launen der Geissen, mit der Beschaffenheit der Milch, mit der Steilheit des Berges und den Gefahren der Natur, den alltäglichen Anforderungen und - das ist geil! (wenn ich das mal so sagen darf).

Es ist so lebendig, diesen Herausforderungen zu begegnen, an zitternde Punkte zu kommen, an ein "beinahe wärs schief gegangen" und "das hat gerade noch geklappt". Es lässt wachsen und einen Stolz entwickeln, und dabei noch jede Menge Spaß haben.

 

Was würde ich drum geben, wenn ich der Unberechenbarkeit der Situation hier im Tal, des Virus und der Maßnahmen mit einer ebenso feurigen Gelassenheit begegnen könnte?

Wenn ich mir ebenso, wie dort oben, in die Hände spucken würde, die Arme in die Seite stützen und sagen: "SO! Dann woll'n wir mal!"

Wenn ich den Umgang damit als ebenso erwünschte Herausforderung sehen könnte, wie die Herausforderungen auf der Alp:

Die sozialen Einschränkungen durch den Lockdown dankbar als Erfahrungsraum annehmen, wie die Einsamkeit auf der Alp,

den Gefahren des Virus ebenso mit achtsamer Vorsicht begegnen, wie den ganz steilen Stellen am Berg, 

dem "Nicht Wissen, was morgen kommt" ebenso offen entgegen sehen, wie dem Wetter des nächsten Tages,

mich in all dem ebenso gut einrichten, wie in meiner kleinen, zugigen, unbequemen, kalten, dunklen, engen, niedrigen Hütte, die ich so lieben gelernt habe.

 

Ja, warum eigentlich nicht?

Wer hält mich davon ab?

Doch nur ich selbst!

 

 

 

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